Biene des Monats


Unter dieser Rubrik stellen wir im Verlauf der Vegetationsperiode einzelne Bienenarten vor, die Sie zu der jeweiligen Jahreszeit mit etwas Glück (und je nach Ort) beobachten können.

Texte und Fotos stammen von unserem Vorstandsmitglied Klaus Kuttig.

OKTOBER | 2018

Efeu-Seidenbiene
Colletes hederae

© Copyright: Netzwerk Wildbienenschutz e.V.

Aussehen: Größe 9 – 14 mm. Kopf und Brust oben dicht braun behaart, seitlich etwas heller. Tergite (Rückenplatten des Hinterleibs) mit breiten, karamellfarbenen Endbinden. Binden auf dem ersten Tergit nur seitlich. Männchen etwas kleiner als Weibchen. Bei flüchtiger Betrachtung mit Honigbienen zu verwechseln. Sehr ähnlich sind die Heidekraut-Seidenbiene Colletes succinctus und die Strandaster-Seidenbiene Colletes halophilus. Wegen der späten Flugzeit und der Spezialisierung auf Efeu ist die Efeu-Seidenbiene aber gut zu erkennen.

Vorkommen: Südwest- und Mitteleuropa bis Südengland. Östlich bis Slowenien und Kroatien. In Deutschland ursprünglich nur aus dem Südwesten bekannt. Die Art breitete und breitet sich aber stetig nach Norden aus. In Niedersachsen wurde sie erstmals 2010 aus Göttingen gemeldet.

Lebensraum: Die Efeu-Seidenbiene ist an das Vorkommen von Efeu gebunden und kommt deshalb potentiell in den unterschiedlichsten Lebensräumen vor, wenn Efeu und zusagende Nistplätze vorhanden sind.

Entwicklungszyklus: Die solitär, aber gerne in Kolonien lebenden Bienen schlüpfen im September und fliegen bis Ende Oktober, in günstigen Jahren bis Anfang November. Das Nest wird an kahlen oder schütter bewachsenen Flächen gerne in Sand oder Löss gebaut. Dabei werden sowohl ebene Flächen, als auch Steilwände oder Abbruchkanten genutzt. Das Nest kann bis zu 60 cm tief im Boden sein und besteht durchschnittlich aus 4 bis 6 Brutzellen. Offenbar baut jedes Weibchen nur ein Nest.  Alte Nester aus dem Vorjahr werden gerne wiederverwendet.

Nahrung: Die Efeu-Seidenbiene ist eine Nahrungsspezialistin und sammelt Pollen ausschließlich an Efeu (Hedera helix). Wenn zu Beginn der Flugzeit der Efeu noch nicht blüht, ist sie aber flexibel genug, auf andere Pflanzen, wie Herbstzeitlose (Colchicum), Goldrute (Solidago) oder Zahntrost (Odontites) auszuweichen. Es ist aber noch nicht erforscht, ob sich die Larven mit diesem Pollen genauso gut entwickeln, wie mit Efeupollen.

Förderung und SchutzColletes hederae nistet gerne im menschlichen Siedlungsbereich, weil hier sowohl die Futterpflanze, als auch geeignete Nistplätze zu finden sind. In Ortschaften baut sie ihr Nest beispielsweise gerne in Sandkästen auf Spielplätzen. Die Seidenbiene ist sehr friedfertig und für Menschen völlig ungefährlich. Sie sollte deshalb an ihren Nistplätzen toleriert werden. Alte, blühfähige Efeubestände an Mauern und Wänden sind schutzwürdig. Sie dienen – neben den Seidenbienen – auch Honigbienen, Wespen und Schwebfliegen als späte Nahrungsquelle.

Besonderheiten: Die Efeu-Seidenbiene ist eine Spätaufsteherin. Das gilt nicht nur für ihre Flugzeit, die beginnt, wenn die meisten anderen Wildbienen schon lange ihre Aktivität eingestellt haben. Es gilt ebenso für die Entdeckungsgeschichte dieser Art. Sie ist nämlich erst seit 1993 bekannt und wurde von den Wildbienenforschern Konrad Schmidt und Paul Westrich als neue Art beschrieben. Grund dafür war, dass sie vorher mit ihren Schwesterarten Heidekraut-Seidenbiene und Strandaster-Seidenbiene in einen Topf geworfen wurde. Erst als man das überraschende Auftauchen von Seidenbienen an Efeu näher untersuchte, wurde sie als neue Art erkannt.

SEPTEMBER | 2018

Blauschwarze Holzbiene
Xylocopa violacea

© Copyright: Netzwerk Wildbienenschutz e.V.

Aussehen: 20 bis 25 mm groß, Körper und Haare schwarz, die Flügel metallisch blauviolett schimmernd.

In Niedersachsen kaum zu verwechseln. Weiter südlich kommen zwei ähnlich Holzbienenarten vor.

Vorkommen: Ursprüngliche Verbreitung Süd- und Mitteleuropa, in Deutschland in der Oberrheinebene. Seit der Jahrtausendwende Ausbreitung nach Norden. Der erste Nachweis in Niedersachsen gelang 2003 in Wischhafen (Kreis Stade). Danach u.a. auch Funde in Hannover, Aerzen bei Hameln, Peine, Braunschweig und Göttingen.

Lebensraum: Warme, trockene Landschaften mit Totholzelementen. Häufig im Siedlungsbereich, in Gärten, Streuobstwiesen, Parks.

Entwicklungszyklus: Im April und Mai treffen sich Weibchen und Männchen zur Paarung. Das Weibchen legt in Totholz ein Nest an. Dazu wird in das abgestorbene, aber noch recht feste Holz ein Gang von etwa 1 cm Durchmesser genagt, der gelegentlich über 20 cm lang sein kann. In diesem Gang werden Zellen angelegt, die durch Wände aus mit Speichel vermischten Holzspänen voneinander getrennt sind. In jeder Zelle wird ein Pollen-Nektar-Gemisch deponiert, auf das ein Ei abgelegt wird. Holzbienen entwickeln sich etwa in zwei Monaten und so schlüpft die neue Generation im Juli und August. Die jungen Bienen fliegen teilweise bis in den Oktober hinein und fressen sich in dieser Zeit „Winterspeck“ an. Dann suchen sie geschützte Verstecke, in denen sie überwintern.

Nahrung: Holzbienen sind nicht wählerisch und nutzen ganz verschiedene Pflanzenarten als Nektar- und Pollenquellen. Bevorzugt werden großblütige Pflanzen. Beobachtungen werden beispielsweise häufig an Muskatellersalbei (Salvia sclarea), Breitblättriger Platterbse (Lathyrus latifolius) oder Blauregenarten (Wisteria) gemacht.

Förderung und Schutz: Holzbienen sind, was die Nahrung betrifft, nicht anspruchsvoll und nutzen sogar exotische Zierpflanzen. Deshalb ist der limitierende Faktor für Ansiedlung und Erhalt einer Holzbienenpopulation das Totholz für den Nestbau. Leider wird immer noch all zu oft jegliches Totholz aus der Umwelt entfernt. Im öffentlichen Raum wird gerne die Verkehrssicherungspflicht als Grund genannt, in privaten Gärten ist es häufig der übertriebene Ordnungssinn der Besitzer.

Wer Holzbienen fördern möchte, muss in erster Linie bestehende Nistmöglichkeiten erhalten und neue schaffen. Abgestorbene Bäume, zumal wenn sie an einem sonnigen Platz stehen, sollten deshalb nicht aus Gärten, Streuobstwiesen und Parks entfern werden. Stammabschnitte und dickere Äste abgestorbener Gehölze können in einem Holzbienenlebensraum auch gezielt als Nistplatz angeboten werden, indem sie beispielsweise in eine Bienennistwand integriert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass das Holz nicht schon zu stark zersetzt ist.

Besonderheiten: Da die Holzbiene als erwachsenes Insekt überwintert, kann sie an sehr milden Wintertagen aus ihrer Ruhe erwachen. Da im Winter in unseren klimatischen Breiten üblicherweise kaum Nahrung zu finden ist, muss die Biene unter Umständen verhungern.

AUGUST | 2018

Buckel-Seidenbiene
Colletes daviesanus

© Copyright: Netzwerk Wildbienenschutz e.V.

Aussehen: 7 bis 10 mm groß, Gesicht und Seiten hell, Brustoberseite bräunlich behaart. Auf den Endrändern der Tergite (Rückenplatten des Hinterleibs) cremefarbene breite Haarbinden. Das Männchen ist etwas schlanker und kleiner als das Weibchen und besitzt auf dem 6. Sternit (Bauchplatte des Hinterleibs) 2 seitliche Höcker mit nach hinten weisenden Haarpinseln.

Sehr ähnlich und im Freiland nicht zu unterscheiden sind die Filzbindige Seidenbiene Colletes fodiens und die Rainfarn-Seidenbiene Colletes similis. Beide sind aber deutlich seltener und haben höhere Ansprüche an den Lebensraum.

Vorkommen: Die Buckel-Seidenbiene kommt in ganz Europa vor und ist in Deutschland weit verbreitet.

Lebensraum: Sand-, Kies- und Lehmgruben, Sandsteinbrüche, Ruderalstellen. Im Siedlungsbereich in Gärten und auf Brachen.

Entwicklungszyklus: Die solitär, aber manchmal in Kolonien lebenden Bienen schlüpfen im Juni und fliegen dann bis in den August hinein. Die Paarung findet zumeist auf Blüten statt, wobei es manchmal zu regelrechten Tumulten kommen kann, wenn sich mehrere Männchen auf ein Weibchen stürzen. Das Weibchen gräbt eine 6 bis 20 cm tiefe Niströhre in senkrechte Flächen aus Löß, Lehm, verdichtetem Sand oder weichem Sandstein. Im Siedlungsbereich werden auch die Fugen alter Backsteinwände oder Lehmfachwerk als Neststandorte genutzt. Gelegentlich werden sogar Öffnungen von ca. 6 mm an Nisthilfen besiedelt. In die Röhre baut das Weibchen 2 bis 6 Brutzellen (in seltenen Fällen auch mehr), die sie aus körpereigenen Sekreten herstellt. Die Zellen werden mit Pollen und Nektar der Nahrungspflanzen gefüllt und jeweils mit einem Ei versehen. Die Bienenlarven verzehren den Vorrat und überstehen den Winter als Ruhelarve. Erst im folgenden Frühjahr verpuppen sie sich.

Der seltene Fund eines Buckel-Seidenbienen-Nestes in einer Beobachtungsnisthilfe. Gut zu erkennen ist das „seidenartige“ Sekret, aus dem die Biene ihre Brutzellen baut.

© Copyright: Netzwerk Wildbienenschutz e.V.

Nahrung: Colletes daviesanus ist auf Korbblütler (Asteracea) spezialisiert. Am Anfang ihrer Flugphase findet man sie auf Kamillearten (Anthemis, Matricaria, Tripleurospermum), Schafgarbe (Achillea) oder Greiskraut (Senecio), später wechselt sie fast vollständig auf den Rainfarn (Tanacetum vulgare).

Förderung und Schutz: Obwohl Colletes daviesanus weit verbreitet und häufig ist, kann sie durch ihre Spezialisierung auf vertikale Niststandorte und durch die ausschließliche Nutzung von Korbblütlern als Nahrungsquelle empfindlich auf Veränderungen ihres Lebensraums reagieren. Der Erhalt von Steilwänden, Abbruchkanten und alten Gemäuern hilft der Seidenbiene, geeignete Nistplätz zu finden. Im begrenzten Umfang können durch Nisthilfen und künstliche Lehmwände neue Nistplätze geschaffen werden. Sommerblühende Korbblütler fallen häufig hochsommerlichen Pflegeeinsätzen (Mahd bzw. Mulchen) zum Opfer. Insbesondere Bestände des Rainfarns, der gerne auf Brachen, Wegrändern und Ruderalstellen wächst, sind davon betroffen. Dabei ist der Rainfarn als recht spät blühende Wildpflanze nicht nur für die Buckel-Seidenbiene, sondern auch für weitere im Sommer fliegende Wildbienenarten und andere Insekten besonders wichtig.

Besonderheiten: In früheren Zeiten nisteten große Kolonien von Colletes daviesanus in mit Kalkmörtel verfugten Hauswänden. Die Art galt deshalb als Materialschädling, bei dessen Auftreten man um die Standsicherheit des Gebäudes fürchten musste. Die Seidenbiene wurde deshalb bekämpft.

JULI | 2018

Luzerne-Blattschneiderbiene
Megachile rotundata

© Copyright: Netzwerk Wildbienenschutz e.V.

Aussehen: 8–9 mm groß, auf der Brust bräunlich, ansonsten schwarz und weiß behaart. Auf dem Hinterleib schmale weiße Binden. Die Bauchbürste besteht überwiegend aus weißen Haaren, nur ganz am Ende sind sie schwarz. Zwei kleine Spitzen am Clypeus (Kopfschild), die Färbung der Bauchbürste und zwei matte Filzflecken auf dem 2. Tergit (Rückenplatte) sind die Erkennungsmerkmale. Die Männchen sind etwas kleiner, stärker und bräunlich behaart. Sie haben hellgrüne Augen.

Vorkommen: Ursprüngliche Verbreitung Süd- und Mitteleuropa bis Süd-Finnland. Sie wurde in den 1930er Jahren in Nordamerika eingeführt. In Deutschland kommt sie verbreitet vor, wird aber von Süden nach Norden seltener. In Niedersachsen ist sie derzeit von 13 Fundorten bekannt.

Lebensraum: Warme, trockene Landschaften, wie Sand- und Lehmgruben, Trockenhänge und strukturreiche Waldränder. Auch in Parkanlagen und Gärten sowie an Ruderalstellen.

Entwicklungszyklus: Die solitär lebenden Bienen schlüpfen im Juni und fliegen dann bis in den August hinein. Sie bauen ihr Nest in oberirdische Hohlräume, wie Käferfraßgänge in Totholz, hohle Pflanzenstängel, Fugen und Nischen in Lehmwänden. In die Hohlräume werden hintereinanderliegende Brutzellen aus Blatt- oder Blütenstückchen gebaut, die die Biene mit ihren kräftigen Kiefern von unterschiedlichen Pflanzen erntet. In den Brutzellen wird Pollen und Nektar deponiert und ein Ei abgelegt. Nach etwa drei Tagen schlüpft die Bienenlarve, die sich in drei bis vier Wochen entwickelt, sich dann in einen Kokon einspinnt und als Ruhelarve überwintert. Im darauf folgenden Frühling verpuppt sich die Larve. Aus der Puppe schlüpft die neue Bienengeneration. Megachile rotundata nistet gerne gesellig, sodass im Laufe der Zeit kleine Kolonien entstehen können.

© Copyright: Netzwerk Wildbienenschutz e.V.

Nahrung: Die Luzerne-Blattschneiderbiene ist nicht wählerisch und nutzt ganz verschiedene Pflanzenarten als Nektar- und Pollenquelle. Als Pollenquellen dienen Doldengewächse (z.B. Mannstreu), Korbblütler (z.B. Alant), Dickblattgewächse (z.B. Fetthenne), Schmetterlingsblütler (verschiedene Kleearten und Luzerne) und Liliengewächse (z.B. Lauch).

Förderung und Schutz: Die Luzerne-Blattschneiderbiene ist, was Nahrung und Nistplatz betrifft, wenig anspruchsvoll. Wie für andere Wildbienen auch sind blütenreiche, vielfältig strukturierte, trockenwarme Lebensräume für die Art besonders wichtig. Ein vielfältiges Pflanzenangebot an sonnigen Stellen und Nistmöglichkeiten, wie angebohrte Hartholzstücke, Bambus- oder Pappröhrchen mit Öffnungen von 6 mm locken sie auch in den Garten.

Besonderheiten: Die Luzerne-Blattschneiderbiene ist wohl eine der ersten Wildbienen, die gezielt zur Bestäubung von Kulturpflanzen eingesetzt wurde. Nachdem die Biene auf unbekannten Wegen in die USA eingeschleppt wurde, erkannte man hier schnell ihre Vorliebe für Luzerneblüten. Die Bienen wurden daraufhin industriell vermehrt und auf den Feldern als Bestäuber eingesetzt. Dadurch konnten die Ernteerträge an Luzernesaatgut deutlich gesteigert werden.